Es gibt so Tage, da komme ich mir richtig Scheisse vor. Meistens dann, wenn ich durch meinen Instagram-Feed scrolle oder mich durch Pinterest klicke und mir dabei eine durchgestylte Minimalisten-Wohnung nach der anderen über das Display flimmert. Schick und clean sind die. Ganz in weiß und grau gehalten. Vielleicht noch mit ein bisschen hellem Holz. Wegen der heimeligen Atmosphäre. Ist ja dann viel wärmer und kuscheliger.
Irgendwelches Zeug steht in diesen Wohnungen nie rum. Höchstens mal eine Vase mit einer Blume oder irgendeine hippe Sukkulente im grauen Übertopf. Papierkram findet man dort nicht. Auch kein Spielzeug, Fernbedienungen, Zeitschriften, Hundeleckerlies, umgekippte Bilderrahmen, Kugelschreiber, Playstationspiele oder aufgeschlagene Bücher, die man noch weiterlesen möchte.
Bei mir in der Wohnung gibt es das alles. Und wenn ich diese hipp-schicken Minimalisten-Buden sehe, bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Zum einen, weil ich all dieses Zeug habe und es offensichtlich noch nicht geschafft habe, mich davon zu trennen. Zum anderen, weil ich es zwischen Vollzeitjob, Blog, Familie und Hund ums verrecken nicht schaffe, immer alles TippiToppi aufgeräumt zu haben. Manchmal habe ich schon Angst, Marie Kondo höchstpersönlich würde gleich hinter mir erscheinen, mir ihr Buch „Magic Cleaning“ [Amazon Affiliate / gibt´s übrigens auch als Audible-Hörbuch] an den Kopf schlagen und mir ins Ohr flüstern, dass ich ein Versager bin. Das sparkt definitiv kein joy und widerspricht eigentlich komplett meiner Vorstellung davon, wie ich gerne leben möchte.
Marie Kondo ist mir zum Glück tatsächlich nie erschienen. Wär irgendwie auch echt gruselig. Wer mir dagegen aber wirklich erschienen ist, ist Huong von Minimalkonzept. Neulich Abend. In meinem Insta-Feed. So weit, so unspektakulär. Wir kennen uns schon was länger und dass ich Beiträge von ihr sehe, ist nicht ungewöhnlich. Aber ich bewundere Houng schon lange. Und das nicht erst, seit ich sie in Hamburg beim Re:Mind Kongress persönlich getroffen habe, sodern so ganz generell. Sie geht die ganze Minimalistensache nämlich herrlich unkompliziert an. Und sie hat ein super Timing mit ihren Beiträgen. Damit hat sie mich schon so manches Mal genau zur Richtigen Zeit aus einem Tal der Zweifel gezogen.
Houng hat verkündet, dass sie mittlerweile ihr Chaos akzeptiert. Sie läd sogar Freunde zu sich nach Hause ein, wenn es nicht aufgeräumt ist. Und sie erzählt das ganz offen auf Instagram. Keine Schicki-Micki-Insta-Minimalisten-Welt, sonder real life. „From the streets for the streets“ quasi. Und dafür feiere ich sie so sehr.
Wenn ich nämlich so darüber nachdenke, dann erscheint mir mein eigenes Chaos plötzlich nur noch halb so wild. Sollen sich die anderen ruhig stressen und sich ihr langweiliges Leben durch gestylte Hipsterwohnungen schön reden. Sich auf dem Sofa an den Hund zu kuscheln, der sein zerfeztes und vollgesabbertes Spielzeug auf die ausgeleierte Jogginghose wirft und zum tausendsten Mal „PS. Ich liebe dich“ [Amazon Affiliate & übrigens einer meiner All-Time-Favorite-Liebesromane] zu lesen, ist halt schon geiler als penibles Aufräumen. Dabei sieht man dann übrigens auch den ganzen Scheiss plötzlich nicht mehr. Und man kann ganz entspannt zu sich selber sagen: Ein bisschen Chaos? Is mir doch sowas von egal!
Vielen dank liebe Houng für die Inspiration zu dieser Kolumne und für die Einsicht, dass durch ein bisschen Chaos die Welt nicht untergeht!
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