Disclaimer: Dieser Artikel wurde veröffentlicht, als ich selbst noch Fleisch gegessen habe. Als Teil meines Blogs und auch als Teil meiner ganz persönlichen Entwicklung bleibt der Artikel online, obwohl ich selbst mittlerweile fast ausschließlich vegan esse. Ob du Fleisch essen möchtest oder nicht, ist ganz alleine deine persönliche Entscheidung. Lebst du selbst vegan und störst dich an diesem Beitrag? Überlies ihn bitte einfach. Danke!
Meine Wochenenden läute ich schon seit längerem immer gleich ein: Mit einem Besuch auf unserem Wochenmarkt Samstag früh. Dort gibt es frische Produkte aus der Region, gepaart mit diesem wundervollen Markterlebnis, welches mich immer irgendwie ein kleines Stück in meine Kindheit zurück versetzt. Hier ein Schwätzchen mit dem Gemüseverkäufer, da ein kurzer Schnack mit der Obstfrau und zum Abschluss eine kleine Fachsimpelei mit dem Bio-Eiermann. Manchmal gibt es auch noch einen Apfel, eine Karotte oder eine Zwiebel geschenkt. Und das gute Gewissen, einwandfreie und nachhaltige Produkte mit nach Hause zu bringen. Dass aber auch auf dem Wochenmarkt nicht alles Gold ist was glänzt, musste ich vor ein paar Wochen schmerzlich am eigenen Leib erfahren.
Teuer = gute Qualität = besser als billig?
Hähnchen sollte es am Wochenende geben. Asiatisch im Teryiaki-Style. Und weil ich ein großer Fan der „Nose-To-Tail“-Bewegung bin, bei der Tiere möglichst komplett verarbeitet werden, wollte ich auf dem Wochenmarkt ein ganzes Hähnchen kaufen. Der Plan: Schenkel und Flügel für mein Asia-Gericht, die Brüste für ein Hähnchen-Curry und aus dem Rest eine kräftige Hühnersuppe kochen. Die Auswahl am Geflügel-Stand war riesig. Konventionelle Hähnchen, Maishähnchen, einzelne Hähnchenteile – Hähnchen soweit das Auge reichte. Die Verpackungen aus Styroporschale und Plastik waren mir zwar ein großer Dorn im Auge, aber Hähnchen plastikfrei war weit und breit nicht zu bekommen. Schließlich wanderte ein Maishähnchen in mein Einkaufsnetz. Mit 8.- Euro pro Stück eines der teuersten Produkte am Stand. Wobei 8.- Euro für ein ganzes Hähnchen auch nicht enorm viel ist. Und irgendwie bin mal wieder dem Trugschluss „Das teuerste Produkt muss einfach das qualitativ Beste sein“ auf dem Leim gegangen. Beim Auspacken zu Hause kam dann der Schock: Klitzeklein stand auf der Rückseite, dass mein Hähnchen gar nicht aus der Region kommt, sondern aus Holland stammt.
„Ländlich frisch. Natürlich gut!“ – Cleveres Öko-Marketing
Ein bisschen verschaukelt bin ich mir schon vorgekommen. Dass ein Hähnchen aus der Fleischtheke bei Aldi nicht vom Hühnerhof aus dem Nachbardorf stammt, war mir ja klar. Auf dem Wochenmarkt bin ich aber eigentlich davon ausgegangen, dass ich eher regional erzeugte Produkte bekomme.
Um der ganzen Sache mal genauer auf Grund zu gehen, habe ich den Betreiber des Geflügelstands – Geflügel Bleyer – einfach mal gegoogelt. Und musste direkt feststellen, dass hinter dem „kleinen“ Geflügelstand auf unserem Wochenmarkt tatsächlich ein Großbetrieb steckt, der über 30 Wochenmärkte beliefert. Auf der Startseite der Homepage prangt ein Bild mit glücklichen Hühnern auf einer saftig-grünen Wiese. Darunter der Slogan: „Ländlich frisch. Natürlich gut!“. Betont werden besonders die Qualität, die Sicherheit bei der Produktion und auch die Transparenz. Diese Transparenz sucht man bei Geflügel Bleyer allerdings tatsächlich vergebens. Bei meiner Recherche auf der Homepage finde ich nur heraus, dass dieser Betrieb Hähnchen und Puten aus Bodenhaltung, Freilandhähnchen, Suppenhühner, Enten und Gänse verkauft. Wo die letztendlich herkommen, wird mit keinem einzigen Wort erwähnt. Und auch meine weitere Suche hat sich als sehr schwierig erwiesen.
Nicht ein Huhn legte sein Ei in der Region
Bei dem Suchbegriff „Geflügel Bleyer / Herkunft“ flimmert mir über Google ein Artikel der schwäbischen Zeitung über meinen Bildschirm. Der Titel: „Nicht ein Huhn legte sein Ei in der Region“. Aha, die Eier vom Bleyer sind offensichtlich schon einmal zum größten Teil nicht regional. Ich suche weiter und lande auf der Facebook-Seite des Betriebs. 100 Fans. Scheint gar nicht mal so beliebt zu sein. Die Seite gibt es allerdings auch erst seit August 2017. In den Beiträgen präsentiert sich die Firma als verantwortungsvoller Betrieb. Man zeigt Bilder von glücklichen Hühnern (dieselben wie auf der Homepage) und postet Info-Grafiken zum Thema Bio-Eier. Und dann stolpere ich über ein Posting von 9. Oktober. „Zeit für leckeres Geflügelfleisch, bei dem man weiß wo es herkommt!“ steht da. Und einen Link zu einer Übersicht, auf welchen Wochenmärkten Geflügel Beyer seine Produkte verkauft. Schön – aber wo das Geflügel herkommt, weiss ich jetzt immer noch nicht.
Im neuesten Post auf der Bleyer-Facebook-Seite wird dann tatsächlich auch mal ein Lieferant vorgestellt. Der Geflügelhof Lugeder in Pleiskirchen. Ohne Link zum Hof, dafür aber wieder mit Verlinkung auf die Liste der Wochenmärkte. Ich suche mir die Homepage des Geflügelhofs Lugeder also selbst heraus und darf mir gleich als erstes ein Video anschauen, in dem ich auf einen Flug über den Hof mitgenommen werde. Ziemlich viel Geflügel ist da schon zu sehen. Zwar im Freien, aber schon eine recht große Masse. Und das nur Enten und Gänse. Hühner hat der Geflügelhof Lugeder nicht. Auf den Bildern sind glückliche Tiere zu sehen. Auf Stroh, im Gras. Wie viele Tiere genau auf dem Hof leben (und schließlich auch sterben) ist nicht ersichtlich. Bio-Siegel sind auch nirgendwo zu finden. Und wie die Tiere wirklich auf dem Hof leben, finde ich auch nicht heraus.
Will ich wirklich wissen, wo mein 8.-Euro-Holland-Huhn herkommt?
Meine Recherche nach der Herkunft der Tiere, die bei Geflügel Bleyer vertrieben werden, wird mir dann auch ziemlich schnell langweilig. Wo das Maishähnchen, welches ich auf dem Wochenmarkt gekauft habe, genau herkommt, weiss ich auch nach mehreren Stunden nicht. Nicht einmal Ansatzweise. Transparenz sieht definitiv anders aus. Und irgendwann habe ich auch gar keine Lust mehr, noch weiter zu suchen. Beziehungsweise bin ich mir auch gar nicht mehr sicher, ob ich wirklich wissen will, wo und unter welchen Bedingungen mein 8.- Euro-Holland-Huhn gelebt hat.
Konsequenz und Lösung
Die Konsequenz, die ich persönlich aus dieser ganzen Geschichte ziehe: Der Marktstand von Geflügel Bleyer wird mich nicht mehr sehen. Auch wenn er sich noch so prominent im Schatten unseres schönen Münsters präsentiert und als verantwortungsvoller Verkäufer tarnt. Das Problem mit dem Huhn ist dadurch freilich aber noch immer nicht gelöst. Wo kaufe ich sowas jetzt in Zukunft? Also ohne Gefahr zu laufen, dass ich weiter cleverem Marketing und nicht vorhandener Produktionstransparenz auf den Leim gehe? Esse ich vielleicht künftig einfach gar kein Hähnchenfleisch mehr? Für mich persönlich ist das auch nicht die Lösung. Schließlich ist Hähnchen ja auch nicht das einzige Problem im Lebensmittelbereich. Und vegan leben – nein, das kommt für mich tatsächlich nicht in Frage.
Die einzige Lösung: Bei meinem nächsten Marktbesuch werde ich die anderen Anbieter von Fleisch- und Wurstwaren ganz genau unter die Lupe nehmen. Und dabei sehr kritisch hinterfragen, wo deren Produkte eigentlich herkommen. Und wenn mir diese Herkunft nicht passt, dann gibt es statt Hähnchen-Teriyaki eben tatsächlich nur Fried Rice mit Gemüse.
Wie seht ihr das denn mit der Transparenz im Lebensmittelbereich? Hinterfragt ihr, wo die Produkte herkommen, die ihr in eurer Küche verarbeitet? Oder seid ihr der Meinung, dass das sowieso alles Verarsche ist, man sich heutzutage nie wirklich sicher sein und es daher sowieso egal ist?
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