Freitagabend kurz nach Feierabend. Ich stehe ich Supermarkt. Obst- und Gemüseabteilung. Noch eben schnell was fürs Abendessen einkaufen. Vor mir stapeln sich verpackte Produkte in rauen Mengen. Ich rege mich darüber schon lange nicht mehr auf. Kaufe ich ja sowieso nicht. Auf der Suche nach den wenigen unverpackten Produkten bleibe ich an den Gurken hängen. Die Bio-Gurke aus der Region kostet viermal so viel, wie die aus Spanien mit Plastik drum herum. Egal. „Shut up and take my money“ denk ich mir, packe die teure Gurke ein und komme mir dabei wie der Retter der Welt vor.
Ein paar Meter weiter, kurz hinter der obligatorischen Kundenwaage, entdecke ich einen Tisch. Darauf ein Müllberg an Plastiktüten. Die furchtbaren kleinen, dünnen. Wobei – halt, das ist gar kein Müllberg. Da ist noch was drin. Ich gehe näher und sehe, dass es sich um stark reduziertes Obst und Gemüse handelt. Produkte, die nicht mehr so 1A sind, aber die man trotzdem noch gut essen kann. Die Auswahl ist gar nicht mal so klein: Orangen, Champignons, Weintrauben, Zitronen, Blattspinat, Rucola und Blumenkohl. Alles zu einem Bruchteil des Normalpreises und tatsächlich könnte ich alles davon brauchen.
„Kauf das blos nicht“ raunt mir ein Teufelchen von der linken Schulter ins Ohr. „Das ist alles bestimmt nicht bio und ausserdem in Plastik verpackt und Plastik ist böse!„. Von der linken Schulter keift es fast zeitgleich zurück: „Hör nicht auf den. Pack alles ein. Lebensmittel muss man retten!„.. Und ich? Ich steh dazwischen und weiß plötzlich gar nichts mehr. Verpackung vermeiden? Lebensmittel vor der Tonne retten? Nur noch Demeter kaufen oder ist Bio auch noch ok? Und was, wenn ich Bio nur verpackt bekomme, Produkte aus konventioneller Produktion aber verpackungsfrei? Mir wird schwindelig und ich möchte am liebsten schreiend davon laufen.
45 Minuten später. Ich stehe in meiner Küche und schneide Champignons. Die alten Nicht-Bio-Champignons, die in der dünnen Plastiktüte verpackt waren. Wo sie herkommen, weiß ich nicht. Vielleicht aus Holland, vielleicht aus der Region. Keine Ahnung. Mein Herz blutet ein bisschen. Vor allem auch, wenn ich auf die Plastiktüte schaue. Manch einer würde mir jetzt bestimmt schon wieder eine gewisse Doppelmoral vorwerfen und mich am liebsten steinigen. Auf der anderen Seite hüpft mein Herz aber auch. Nämlich deshalb, weil ich die Pilze gerettet hab. Die wären sonst am Ende ja schlimmstenfalls doch in der Tonne gelandet.
Während ich so koche, räumt mein Mann die Küche auf. Die Plastiktüte will er in den gelben Sack werfen. Aus den Augen, aus dem Sinn quasi. Auch mir wäre es lieber, das ungeliebte Stück Plastik würde sich in Luft auflösen. Tut es aber natürlich nicht. Und da ist die Tüte jetzt ja sowieso schon. Ich nehme ihm die Tüte aus der Hand und stopfe sie in die Küchenschublade. Dort schlummern schon diverse andere Tüten. Ein Sammelsurium aus Plastik, das auf den einen Geistesblitz zur Weiterverwendung wartet. Vielleicht nutze ich sie ja mal als Mülltüte im Gästezimmer. Oder auf dem nächsten Jakobsweg als Wasserstopper um die Füße, wenn’s mal wieder aus Kübeln schüttet. Hauptsache nicht achtlos weggeworfen.
Wie ich mir so meine Nicht-Bio-Plastik-Pilze schmecken lasse, denke ich noch ein wenig über den heutigen Einkauf nach. Nachhaltig leben zu wollen ist wirklich nicht einfach. Was sich im einen Moment völlig richtig anhört, kann im nächsten Moment schon wieder komplett falsch sein. Plastik zu vermeiden ist super. Lebensmittel zu retten aber auch. Wo hört das eine auf und wo fängt das andere an? Und was ist jetzt überhaupt am besten? Also so für die Welt ganz allgemein?
Mein Kopf raucht. Mein Teller ist leer. Und die Moral von der Geschicht? Tja, die weiß ich heute ausnahmsweise auch mal nicht…
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