In den sozialen Medien ist ein Kampf entbrannt. Ganz besonders auf Youtube. Die Onlinewelt sucht scheinbar den Super-Umweltengel. Wer verursacht am allerwenigsten Müll? Wer lebt am Nachhaltigsten? Und wer schafft es, mit einem kleinen Marmeladenglas als Mülleimer durch das ganze Jahr zu kommen.
Gestern hatte ich zum Thema „Zero-Waste vs. Realität“ eine sehr interessante Unterhaltung auf Instagram und ich muss ehrlich sagen, dass ich mich mittlerweile frage, inwiefern die Posts und Videos in den sozialen Medien überhaupt die Realität wiederspiegeln.
Dass ich die Zero-Waste-Bewegung heute auf gewisse Weise angreife, mag auf den ein oder anderen vielleicht komisch wirken. Predige ich doch selbst oft genug die Vorteile des plastikfreien, bzw. plastikarmen Lebens. Fakt ist aber, dass viele der Zero-Waste-Videos tatsächlich nicht mit einem halbwegs normalen Leben zu vereinbaren sind. Jetzt kann man hier intervenieren und sagen, dass man sein Leben halt ändern muss, wenn man etwas bewegen will. Das ist prinzipiell auch richtig. Trotz allem halte ich viele Zero-Waste-Darstellungen in Youtube-Videos für Utopie.
Müllvermeidung im Alltag – Nicht so leicht wie Youtube vorlebt
Sicher, man kann in seinem Alltag sehr viel Müll vermeiden. Und das heisse ich auch gut. Allein schon das meiden von Supermärkten und das Einkaufen auf dem Wochenmarkt, beim Bäcker und beim Metzger, trägt enorm dazu bei, dass man am Ende eines Monats nur wenig Müll verursacht hat. Auch die Ablehnung von Werbesendungen, der Verzicht auf Coffee to Go und vielen weiteren Wegwerfartikeln hilft sehr. Trotz allem bekomme ich persönlich noch immer einmal im Monat einen Sack voll Plastikmüll und alle paar Monate etwas Restmüll zusammen.
Woher kommt jetzt aber dieser Müll, wenn man schon bewusst darauf achtet, eben keinen Müll zu verursachen? Ich kann da natürlich nur von mir selbst erzählen:
Für das Haarewaschen benutze ich beispielsweise nach wie vor normales Shampoo. Meine Haare sind recht problematisch, fetten schnell und neigen zu Schuppen. Ich brauche einfach mein Anti-Schuppen-Shampoo, sonst bekomme ich meine Haare nicht in den Griff. Auch in meinem Schrebergarten fällt immer wieder Müll an. Säcke von Blumenerde oder Rindenmulch zum Beispiel. Und die Plastiktöpfchen von Gemüsepflanzen, die ich auf dem Markt oder beim Gärtner hole. Nicht zu vergessen all der Müll von Dingen, die sich einfach nicht vermeiden lassen: Verpackungen von Glühbirnen, Glühbirnen selbst, Kugelschreiber, die nicht mehr schreiben, die Verpackungen von Geschenken die man so bekommt und auch die Verpackungen der Produkte, die ich hin und wieder für meine Blogs zugeschickt bekomme. Und dann gibt es ja auch noch die Momente, in denen man einfach Mensch ist. Wenn man sich nach einer harten Woche einfach mal eine Pizza bestellt, sich unterwegs vor lauter Heißhunger doch ein Sandwich holt oder wenn man der Schmach nach einer Packung Chips zur Abwechslung mal wieder nachgibt.
Einfach mal locker bleiben
Ich persönlich habe mit der Menge an Müll, die ich verursache (bzw. mehr oder weniger verursachen muss), kein Problem mehr. Und ich schaue mir diese ganzen Zero-Waste-Videos mittlerweile auch schon gar nicht mehr an. Nicht weil sie mir ein schlechtes Gewissen machen, sondern weil sie für mich einfach nicht realistisch sind. Natürlich unterstelle ich den Erstellern dieser Videos nicht, dass sie lügen. Ich glaube ihnen durchaus, dass sie es schaffen, irgendwie mit so wenig Müll auszukommen. Für mich, zur jetztigen Zeit, in diesem Land und mit meinen aktuellen Lebensumständen, ist es aber absolut undenkbar.
Keine Frage, Müllvermeidung ist und bleibt ein Thema, welches mir sehr am Herzen liegt. Trotz allem finde ich aber auch, dass man sich diese ganzen Extrem-Zero-Waste-Anhänger nicht zum Beispiel nehmen braucht, um ein einigermaßen nachhaltiges Leben zu führen. Vor allem darf man sich dadurch nicht verrückt machen oder gar schlecht fühlen. Auch kleine Schritte können viel bewirken und jedes noch so kleine Stückchen Müll, welches nicht verursacht wird, ist ein Gewinn.
… Und die Moral von der Geschicht?
Was ich euch heute mit auf den Weg geben möchte, ist folgendes: Lasst euch von der schönen neuen Zero-Waste-Welt nicht täuschen. Ihr könnt euch gerne inspirieren lassen und von einer Welt ohne Müll träumen. Macht aber trotzdem euer eigenes Ding und macht das so gut ihr könnt, wo ihr könnt und vor allem in dem Umfang, in dem es für euch persönlich richtig ist.
Es gibt kein richtig oder falsch und es gibt nicht DIE eine Menge X, die man beim Müll unterschreiten muss, um ein gutes Gewissen zu haben. Und die Welt braucht auch nicht den einen Super-Umweltengel. Hier macht es viel mehr die Masse. Wenn jeder so viel Müll spart, wie er persönlich kann, dann hilft das der Welt sicher mehr, als durch zwei / drei Zero-Waste-Anhänger mit ihren Marmeladengläsern.
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