Mein altes Notebook thront brummend auf meinen Oberschenkeln. Neben mir dampft eine Tasse schwarzen Kaffees vor sich hin und verströmt dabei einen unwiderstehlichen Duft nach Sonntag, Entspannung und Freizeit. Auf meinem iPhone gehen beinah im Minutentakt Whatsapp-Nachrichten ein. Ob ich zum Wandern mitgehen will. Um 10:37 Uhr geht´s mit dem Bus los. Ich lehne dankend ab. Dass ich dieses Wochenende einfach mal nichts machen möchte, habe ich schon am Freitag gesagt. Und bin trotzdem gestern auf einen Kaffee und eine heiße Schokolade „kurz“ mit in die Stadt gegangen. Heute gönne ich mir nun endlich einen Tag nur für mich. Auch wenn das so mancher wieder nicht verstehen mag.
Lange Zeit wollte es mir ja nicht in den Kopf, warum es so viele Menschen gibt, für die das Alleinsein überhaupt keine Option ist. Ich habe schon immer gerne Zeit mit mir ganz alleine verbracht. Für mich ist das Alleinsein eine Ruheinsel im stressigen Alltag und ich schätze es sehr, wenn ich mich einfach mal mit niemandem unterhalten muss. Nicht aufmerksam sein muss. Einfach in den Tag hineinleben kann und keine Entscheidungen treffen muss. Schon als Kind war ich gerne alleine und ich erinnere mich noch heute lebhaft daran, wie ich in einem Urlaub in Irland stundenlang im Fenster unseres Cottage saß und auf den See hinaus geblickt habe. So lange, bis die Sonne untergegangen ist und die ersten Fledermäuse ihre Runden gezogen haben.
So gerne ich selbst auch alleine bin, habe ich mittlerweile aber doch auch verstanden, warum sich so viele Menschen so schwer damit tun: Sie verwechseln das Alleinsein mit Einsamkeit. Und davor haben die meisten Menschen eine scheiß Angst. Dabei sind das Alleinesein und die Einsamkeit zwei grundsätzlich verschiedene Dinge.
Die Einsamkeit ist ein Zustand, den man in der Regel nicht selbst gewählt hat. Sie legt sich über das Leben wie eine bleierne Schürze und erdrückt jegliche Lebensfreude. Das Alleinsein dagegen ist ein Zustand, den man selbst wählen kann. Den man bewusst herbeiführen kann. Und der dabei hilft, innere Ruhe zu finden und Kraft zu tanken. Alleine sein bedeutet nicht, passiv zu sein. Ganz im Gegenteil: Wer mit sich alleine ist, ist meist sogar sehr produktiv. Es hat nichts mit nutzlosem Herumgammeln und faulenzen zu tun (zumindest meistens), sondern damit aktiv zu entspannen. Kreativ zu sein. Sich mit den Dingen zu beschäftigen, die einem persönlich wichtig sind. Und Nachzudenken. Über das Leben, über sich selbst und auch darüber, was man eigentlich alles noch so erreichen möchte.
Alleinsein kann man also durchaus als einen Zustand bezeichnen, an dem man enorm wachsen kann und der produktiv Ideen und Erkenntnisse hervorbringt, die für die eigene Persönlichkeitsentwicklung wichtig sind. Ich finde, das sollte jeder Mal für sich ausprobieren. Und vielleicht sogar lieben lernen.
Meine Freunde sind zwischenzeitlich mit Rucksack und Wanderstöcken losgezogen. Mein Kaffee ist leer. Mein Kopf auch. Und ich fühle mich herrlich. Leicht und frei und entspannt. Ganz genau so, wie man sich an einem Sonntag fühlen sollte. Und mir wird wieder mal klar: Ja, Alleinsein ist schön. Auch wenn mein Whatsapp-Verlauf bald wieder mit fröhliche Wanderfotos gefüllt sein wird. Ohne mich.
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