Der November ist zu Ende. Am Adventskranz brennt bereits die erste Kerze, vor dem Fenster rieseln die ersten feinen Schneeflocken und auf dem Adventskalender konnten wir schon das zweite Türchen öffnen. Eigentlich wollte ich diesen Artikel bereits gestern veröffentlichen, denn der 1. Dezember ist für mich immer ein ganz besonderes Datum. Dann hat mich die Booster-Impfung aber ein wenig aus der Spur gebracht und deshalb gibts den Beitrag erst heute. Nichts desto trotz sind meine Gedanken Anfang Dezember jedes Jahr aufs Neue bei einer Challenge, die ich mir 2015 selbst auferlegt habe: Ein Monat komplett ohne Alkohol.
Kein Alkohol an Weihnachten? Schaffst du eh nicht!
Ich weiss noch gut, wie es war, als ich die Idee damals publik gemacht habe. Wie ich dafür belächelt wurde. Teilweise sogar verspottet. „Kein Alkohol während der Weihnachtszeit? Kein Glühwein? Kein Sekt auf der Weihnachtsfeier? Das schaffst du sowieso nicht„, wurde mir unzählige Male gesagt. Oft gefolgt von „Ja voll cool eigentlich, dann kannst du ja immer fahren“ (Funfact: Ich hab seit über zehn Jahren kein Auto mehr, fahre extrem ungerne und wenn, dann eigentlich nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt). Ich erinnere mich auch noch gut an die Blicke auf dem Weihnachtsmarkt, die regelmässig in Richtung meines Bauchs gewandert sind. Manchmal verstohlen, meist aber offensichtlich und penetrant. Ist sie schwanger, oder was soll das jetzt auf einmal? Manchmal wurde ich sogar ganz unverblümt danach gefragt, ob der Mann und ich Nachwuchs erwarten.
Mal ganz davon abgesehen, dass es ein absolutes Unding ist, Frauen einfach so nach einer möglichen Schwangerschaft zu fragen, hat es mich schon damals maßlos geärgert, dass die Gesellschaft den Verzicht auf Alkohol scheinbar nur mit guten Gründen akzeptieren kann. Und es ärgert mich heute immer noch extrem. Am meisten ärgere ich mich aber über mich selbst. Weil der Stolz über einen Monat ohne Alkohol schon nach sehr kurzer Zeit komplett verflogen ist. Längst ist das Glas Wein zum Essen wieder völlig normal. Genauso wie der Glühwein beim Bummel durch die Stadt oder die zwei, drei, vier Flaschen Sekt, die wir beim Spieleabend mit unseren Freunden vernichten. Kopfschmerzen am nächsten Morgen inklusive.
Wer auf Alkohol verzichtet, muss sich erklären – immer
Schon seit ein paar Monaten stelle ich mir wieder häufiger die Frage, was diese ganze Trinkerei eigentlich soll. Es kotzt mich an, dass Alkohol in unserem Alltag so selbstverständlich ist. Während die Politik angestrengt das Für und Wieder einer Cannabis-Legalisierung debattiert (die ich durchaus begrüsse), ist Alkohol einfach überhaupt gar kein Thema. Cannabis gilt nach wie vor als Einstiegsdroge Nummer eins – Alkohol als harmloser Wellness-Begleiter. Nicht wegzudenken nach einem stressigen Arbeitstag, beim gemütlichen Zusammensitzen mit Freunden und bei Feierlichkeiten jeglicher Art. Wer darauf verzichtet, muss sich erklären. Ist irgendwie „nicht normal“. Was eine Idiotie.
Wann ist es passiert, dass gesellschaftliche Ereignisse in unseren Köpfen weniger wert sind, wenn kein Alkohol im Spiel ist? Bedeutet ein Weihnachtsmarktbesuch mit Familie und Freunden weniger, wenn statt Glühwein nur Kinderpunsch in der Tasse ist? Gilt der Geburtstag oder die Silvesterfeier nicht, wenn statt mit Sekt nur mit Orangensaft angestossen wird? Und wieso ist auf einmal jeder so happy, wenn einer aus der Runde nichts trinken möchte und den Fahrer spielen kann? Ja, wieso erwartet mein Umfeld überhaupt, dass ich meine Angst vorm Autofahren bei Seite schiebe und für sie den Fahrer spiele, nur damit sie trinken können und nicht darüber nachdenken müssen, wie sie nach Hause kommen?
Hallo „Sober Christmas 2022“
Vor einigen Wochen hat ein guter Freund von mir Geburtstag gefeiert und im Vorfeld völlig überraschend angekündigt, dass er keinen Alkohol mehr trinkt. Auf der Feier gab es demenstrechend auch nur alkoholfreie Getränke und wer unbedingt Alkohol wollte, musste sich den selbst mitbringen. Mir hat das wahnsinnig imponiert und ich habe den Abend ganz selbstverständlich alkoholfrei verbracht. Es war eine der lustigsten Feiern seit langem und der Abend hat mich in der Idee bestärkt, meine Alkoholfrei-Challenge von 2015 zu wiederholen. Ganz bewusst wieder in der Weihnachtszeit.
Jetzt ist es also wieder soweit. Und ich bin sehr gespannt, wie mein Umfeld dieses Mal reagieren wird. Immerhin wissen sie, dass ich das Ganze schon einmal durchgezogen habe. Und es sind fünf Jahre vergangen. Fünf Jahre, in denen viel passiert ist. Alkohol hat gesellschaftlich gesehen nicht mehr ganz den hohen Stellenwert, den er noch vor fünf Jahren hatte. Zumindest bei der jüngeren Generation. Hier wird immer häufiger verzichtet und es gibt immer mehr Menschen, die sich dazu bekennen, überhaupt keinen Alkohol mehr zu trinken. Vielleicht wird das Ganze dieses Mal also etwas normaler. Vielleicht aber auch nicht. Wir werden sehen. Spannend wird es allemal. Und auch wenn ich mal wieder ein kleines bisschen Bammel davor habe, freu ich mich ziemlich drauf.
P.S. Nein, ich bin auch dieses Mal nicht schwanger! (.. und es ist nach wie vor ziemlich traurig, dass man das dazu sagen muss)
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