Es war einmal ein kleines Mädchen, das Weihnachten über alles liebte. Und alles was zu Weihnachten dazu gehörte. Die Lichter an und in den Häusern, an Bäumen und Büschen, die Musik (bis auf Last Christmas – der Song kommt vom Teufel höchstpersönlich), der Schnee, der die Welt in Puderzucker hüllt (sofern ihm die Klimaerwärmung nicht mal wieder in die Quere kommt) und natürlich auch Weihnachtsplätzchen. Egal in welcher Form. Makronen, Zimtsterne, Spekulatius, Lebkuchen, Vanillekipferl, Spritzgebäck… Stellte man dem Mädchen einen Teller Plätzchen hin, war er in Rekordzeit auf magische Art und Weise verschwunden. Und als das Mädchen zur Frau heranwuchs und begann, ihr eigenes Leben fernab des Elternhauses zu leben, zelebrierte es die Weihnachtsbäckerei jedes Jahr aufs Neue mit heißem Glühwein und jeder Menge Weihnachtsmusik. Bis auf 2021. Da war plötzlich alles anders. Und der ein oder andere mag es jetzt bereits ahnen: Das kleine Mädchen von damals bin ich.
Drei Wochen bis Weihnachten & leere Keksdosen
Wir haben wieder Mal Anfang Dezember. Der zweite Advent steht vor der Tür. Und Nikolaus auch. Bis Heilig Abend sind es nur noch drei kurze Wochen. Die Keksdosen, die normalerweise um diese Zeit längst zum Bersten gefüllt sind, stehen noch immer im Regal meines Abstellraums und glänzen mit gähnender Leere. Und das liegt definitiv nicht an meinem Backofen, der seine besten Jahre schon hinter sich hat und der letztes Jahr die feinen Plätzchen meiner Schwester in astreine Kohlebrickets verwandelt hat. Nein, dieses Jahr befinde ich mich in einer mittelschweren Backing-Crisis.
Wie sich die äussert? Ganz einfach: Ich mag keine Plätzchen backen. Keine Rezepte suchen. Keinen Teig kneten. Ja nichtmal naschen oder verzieren. Seit Wochen suche ich schon nach einer vernünftigen Ausrede dafür. Erst dachte ich an Corona. Das ist seit zwei Jahren ja das Totschlagargument für fast alles. Diese nicht enden wollende Pandemie mit ihren ständigen Einschränkungen und Unsicherheiten würde mir – ohne wenn und aber – jeder als Killer meiner Weihnachtsstimmung abnehmen. Es gibt nur ein klitzekleines Problem dabei: Das wäre dreist gelogen. Und Lügen darf man nicht. Ganz besonders nicht in der (Vor-)Weihnachtszeit. Also will ich heute mal ehrlich sein: Ich habe keine Lust zu backen, weil mir das Publikum fehlt.
Seit 2012 (oder wars 2013?) blogge ich. Und viele Jahre davon hat sich ein großer Teil meiner Postings rund um das Thema Food gedreht. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Rezepte ich im Laufe der letzten Jahre in die Weiten des Internets geschickt habe. Es waren unfassbar viele. Begonnen mit ganz simplen Alltagsgerichten, die grauenhaft fotografiert waren, bis hin zu aufwändigen veganen Weihnachtsalternativen, die ich stundenlang drapiert, in Szene gesetzt und schön abgelichtet habe. Kochen und backen ohne einen neuen Blogpost dazu im Hinterkopf zu haben, hat es bei mir seit fast zehn Jahren kaum gegeben.
Backen ohne Publikum? Geht das überhaupt?
Und dann kam dieses Jahr. Ich weiss nicht was 2021 mit mir passiert ist, aber irgendwas hat einen Schalter umgelegt. Mir ist klar geworden, dass mir das echte Leben wichtiger sein muss als die schöne Scheinwelt im Internet. Und Mitte November habe ich dann das erste Mal Zimtschnecken gebacken, ohne mir das Rezept aufzuschreiben. Ohne in Gedanken einen Text für den Blogpost zu formulieren. Und komplett ohne ein Foto davon zu machen. Kein aufwändiges für den Blog und nicht einmal ein Schnelles für eine Instagram-Story. Zum ersten Mal seit vielen Jahren habe ich gebacken, ohne das Ergebnis irgendjemandem zu zeigen. Außer meinen Kollegen natürlich, die die Zimtschnecken essen durften.
Dieses Zimtschnecken-Ohne-Social-Media-Erlebnis hat Spass gemacht. Ein bisschen zumindest. Vor allem war es auf eine gewisse Art und Weise aber sehr unbefriedigend. Zuerst war mir nicht so richtig klar warum, aber ich komme nicht drum herum mir einzugestehen: Es war tatsächlich das Publikum, das mir gefehlt hat. Meine Instagram-Community, die fleissig Herzchen verteilt, mir sagt, wie wunderschön das Foto ist und wie lecker sich das Rezept anhört.
Selbsterkenntnis tut weh
Die Erkenntnis hat mich – sagen wir es, wie es ist – wie ein Vorschlaghammer getroffen. Es ist schon extrem traurig, wenn man einer Sache nur dann einen Wert beimisst, wenn man dafür im Internet beklatscht wird. Von ein paar hundert fremden Menschen, mit denen man im Grunde rein gar nichts zu tun hat. Und von denen der Großteil höchstwahrscheinlich nur deshalb reagiert, weil die Hoffnung da ist, selbst eine Reaktion in Form von Likes und Kommentaren zurück zu bekommen.
Ohne Publikum macht mir Kochen und Backen keinen Spaß mehr! Was eine krasse Selbsterkenntnis. Und absolut nicht lustig. Zeigt sie mir doch schonungslos nicht nur eine persönliche Schwäche auf, sondern führt mir auch vor Augen, dass ich vielleicht gar nicht soooo toll und wichtig bin, wie ich mich all die Jahre nach jedem neuen Post gefühlt habe. Das tut richtig weh. Und in meinem Fall nimmt es mir sogar die Freude an etwas, das ich eigentlich immer richtig gerne gemacht habe.
Mit Konsequenz gegen die Krise
Was man mit so einer Erkenntnis richtig umgeht, weiß ich nicht. Ich bin schließlich kein Therapeut. Weder für andere, noch für mich selber. Ich kann nur tun, was sich für mich richtig anfühlt. Im Moment ist das simpel: Aushalten. Und konsequent sein. Ich werde konsequent nichts backen, solange ich nicht wirklich unfassbar große Lust darauf habe. Und wenn ich doch noch backen sollte, dann werde ich das für mich und meine Familie machen. Die Sehnsucht nach dem mittlerweile fehlenden Publikum muss ich aushalten. Aber ich glaube, das klappt schon irgendwie. Mit einem gut gefüllten Plätzchenteller bestimmt. Und zur Not kauft sich das kleine Mädchen, das inzwischen groß ist und ihr eigenes Geld verdient, die Plätzchen einfach im Supermarkt. Da bleibt am Ende sogar noch die Küche sauber.