Dieser Beitrag ist zunächst auf meinem privaten Facebook-Profil erschienen. Da er jedoch so kontrovers diskutiert wird und weil das Thema der sexuellen Belästigung und Gewalt meiner Meinung nach so enorm wichtig ist, möchte ich diesen Brief mit euch allen teilen.
#metoo – Ein offener Brief an die Gesellschaft
Die vergangene Woche hat mich sprachlos gemacht. Und nachdenklich. Und auch wütend. Der Hashtag #metoo hat sich im Internet wie ein Lauffeuer verbreitet und Frauen jeden Alters, aller Rassen und aus jeder sozialen Schicht stehen plötzlich öffentlich dazu, schon einmal sexuell belästigt, missbraucht oder sogar vergewaltigt worden zu sein. Auch in meiner Freundesliste sind in den letzten Tagen viele #metoo Posts aufgetaucht und ganz ehrlich, es tut mir im Herzen weh. Nicht nur wegen der schieren Masse an Frauen, die sich hierzu melden, sondern wegen der Passivität, die viele Frauen trotz alledem weiter an den Tag legen. Und vor allem wegen der Opferrolle, in die sich viele Frauen selbst stecken.
Ich selbst könnte auch einige Geschichten zum Thema sexuelle Belästigung beitragen. Von der fremden Hand zum Beispiel, die ich im dunklen Kinosaal plötzlich auf meinem Knie gespürt habe, als ich gerade mal 10 Jahre alt war. Oder von den kalten Fingern eines Bekannten, die sich unter mein Shirt getastet haben, während ich auf dem Sofa halb eingeschlafen war. Und natürlich auch von all den penetranten Blicken, die seit meiner Teenagerzeit immer wieder an meinen Brüsten hängen bleiben. Nicht selten gepaart mit anzüglichen Kommentaren. Ich könnte diese Vorfälle zum Anlass nehmen, ein kurzes #metoo zu posten, mich als arme, schwache Frau fühlen und im Kollektiv der Leidensgenossinnen Bestätigung, Schutz und Trost suchen.
All das könnte ich machen. Will ich aber nicht. Stattdessen möchte ich viel lieber erzählen, wie ich diesem Widerling damals im dunklen Kinosaal so sehr gegen das Schienbein getreten habe, dass er es kein zweites Mal versucht hat, seine Hand auf mein Knie zu legen. Und ich will erzählen, wie ich meinen Bekannten so dermassen zusammengefaltet habe, dass er es in seinem künftigen Leben sicher nicht nochmal versuchen wird, einer Frau ungefragt unter das Shirt zu fassen.
Ich will, dass sich Frauen, die sexuelle Übergriffe welcher Art auch immer erfahren haben, kein leises #metoo in einem Social Media Profil posten. Ich möchte, dass sie im realen Leben aufstehen. Dass Sie schreien und zetern und lautstark auf ihr Recht zum “NEIN” bestehen. Nicht Wochen, Monate oder Jahre später, sondern genau in den Momenten, in denen es passiert. Ich will, dass Frauen auf der ganzen Welt mutig zu ihrem “Nein” und zu ihrem „So nicht Bürschchen!“ stehen. Und dass sie sich mit allen Mitteln verteidigen, die ihnen zur Verfügung stehen.
Ich sage heute nicht #metoo, denn ich fühle mich nicht als eine Frau, die in ihrem Leben Opfer von sexueller Belästigung geworden ist. Keine Frage, es gab Situationen, in denen Männer gegen meinen Willen handeln wollten. Durchgekommen ist damit keiner. Und wenn ich heute nur einen einzigen Wunsch frei hätte, dann würde ich mir wünschen, dass ausnahmslos alle Frauen die Kraft finden, sich aktiv und mutig gegen Belästigungen und Missbrauch jeglicher Art zu stellen. Sowohl währenddessen, als auch (sofern nötig) hinterher.
Gesteht euch doch bitte nicht nur auf Facebook oder Twitter traurig ein, eine von vielen zu sein. Seht euch nicht als hilflose Opfer, sondern steht auf und wehrt euch. Wer sich wehrt, ist kein Opfer!
(over and out)
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